Regen, Strömung, Chloride in Salz- und Brackwasser, mechanische Belastungen durch Schiffe sowie Frost und Hitze haben einen starken Einfluss auf Bauwerke wie Schleusen. Die Anforderungen an die Planung, Ausschreibung, Bauausführung und die jeweiligen Baustoffe sind daher hoch. Bei massigen Bauteilen etwa können durch große Temperaturunterschiede zwischen Kern und Betonoberfläche Zwangsspannungen und daraus resultierende Risse entstehen. Betontechnologen müssen insbesondere auf Zementart und Zementgehalt achten. Ebenso hoch sind die Anforderungen in Bezug auf die Dauerhaftigkeit: Wasserbauwerke werden für eine hohe Lebensdauer von etwa 100 Jahren erbaut.
Widersprüche durch Neuerungen
Neben den bestehenden Normen gilt die ZTV-W LB 215 (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen – Wasserbau) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Mit dem BAWBrief 01/2015 der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) wurden Ad-hoc-Maßnahmen zur Risikominimierung hinsichtlich der Entmischung von Beton festgelegt. Dadurch wurden die Anforderungen und Annahmen zur Dauerhaftigkeit wie auch die Beton-Prüfverfahren infrage gestellt und verschärft. Die erweiterten Regelungen werden im BAWBrief 01/2015 erläutert. Darin geht es hauptsächlich um die Gewährleistung von erforderlichen Frischbetoneigenschaften. Diese sind Voraussetzung für die Erreichung der notwendigen Festbetoneigenschaften und zur Sicherung der Dauerhaftigkeit. Als Beispiel kann hier der hohe Frost-Tau-Widerstand genannt werden.
Allerdings widersprechen sich die Regelungen in ZTV-W LB 215 und BAWBrief teilweise. So stehen geringe Bindemittelgehalte und daraus folgende geringe Leimgehalte im Widerspruch zu einer hohen Mischungsstabilität. Die Folge: Betonhersteller geben für kleinere Bauvorhaben, die nach ZTV-W ausgeschrieben werden, oft schon keine Angebote mehr ab.
Die Branche diskutiert
Immerhin wurde durch den BMVI-Erlass eine Diskussion ausgelöst. Die BAW plant in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Zementhersteller ein Forschungsvorhaben zu den Eigenschaften typischer Betone für massige Bauteile unter Meerwasser-Beanspruchung. Holcim wird sich aktiv in das Untersuchungsprogramm einbringen. Unter dem Dach des DAfStb (Deutscher Ausschuss für Stahlbeton) laufen aktuell bereits diverse Forschungsvorhaben zum Thema.
Das sagt die Behörde
Um die verschiedenen Positionen zu dem Thema darzustellen und die Diskussion darüber zu befördern, hat Holcim den Artikel im Vorfeld der Veröffentlichung der Bundesanstalt für Wasserbau vorgelegt und um ein Statement seitens der Behörde gebeten. Andreas Westendarp, Referatsleiter Baustoffe (Abteilung Bautechnik), kam dieser Bitte nach:
Der in BAWBrief 01/2015 erläuterte Ad-hoc-Erlass des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ist in Reaktion auf einen massiven Schadensfall beim Neubau einer Schleuse entstanden, bei dem es in erheblichem Umfang zur Entmischung des Betons gekommen ist. Die fachliche Diskussion zur Stabilität von Betonen unter Pump- und Rütteleinwirkung ist derzeit in der Fachwelt in vollem Gange, entsprechende Probleme sind keineswegs nur bei massigen Betonbauteilen im Wasserbau aufgetreten. Auf der anderen Seite sind vor und nach dem oben genannten Erlass zahlreiche vergleichbare Wasserbauwerke ohne betontechnologische Probleme erstellt worden.

Foto: BAW
„Die fachliche Diskussion zur Stabilität von Betonen unter Pump- und Rütteleinwirkung ist derzeit in der Fachwelt in vollem Gange.“
Der Ad-hoc-Erlass des BMVI wird in Kürze durch eine A1-Änderung der ZTVW LB 215 in Verbindung mit einem neuen BAW-Merkblatt zur Entmischungssensibilität von Beton abgelöst. Damit wird es künftig nur noch Anforderungen an die Mindestmischzeit des Betons und eine Beschränkung der Konsistenz bei LP-Betonen geben. Ansonsten werden ausschließlich klar definierte und zu überprüfende Anforderungen an die ausgeführte Bauleistung gestellt. In einem weiteren Schritt ist eine zeitnahe Überarbeitung der ZTV-W LB 215 vorgesehen, bei der unter anderem die Anforderung hinsichtlich Zwang angepasst werden, aber auch die sich im Wandel befindliche Situation bei den Betonausgangsstoffen (unter anderem Verfügbarkeit von Flugasche als wesentliche Voraussetzung für viele ZTV-W-Regelungen) Berücksichtigung finden sollen.
Fazit
Alle an der Diskussion Beteiligten stimmen darin überein, dass die Anforderungen an Baustoffe hoch sein müssen, um die Sicherheit von Wasserbauwerken zu garantieren. Strittig bleibt, wie die Regelwerke so ausgestaltet werden können, dass Sicherheit und Umsetzbarkeit miteinander einhergehen. Es ist wünschenswert, dass die Diskussion zwischen Behörden und Industrie kooperativ und intensiv geführt wird – die Bereitschaft scheint auf beiden Seiten vorhanden zu sein.
Mehr Infos
Deutschland verfügt über ein sehr riesiges Wasserstraßennetz. Allein die Binnenwasserstraßen erstrecken sich über eine Gesamtlänge von 7.300 Kilometern. Die Bundesanstalt für Wasserbau überprüft unter anderem, dass die Wasserstraßen den wachsenden technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Anforderungen gerecht werden.