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„Die wenigsten kümmern sich um Innovationen“

Der Ingenieur und Architekt Werner Sobek fordert ein Umdenken im Bauwesen und legt den Fokus auf nachhaltiges Bauen – mit Gradientenbetonen.

Wie weit ist die Forschung zum Gradientenbeton?

Werner Sobek: Wir arbeiten sehr intensiv an diesem Thema; unsere Erfolge stimmen uns hoffnungsfroh, dass auch der Markt das Produkt annehmen wird. Aber: Das Bauwesen ist konservativ und vorsichtig. Zurzeit gibt es genügend Möglichkeiten, Geld zu verdienen, da kümmern sich die wenigsten um Innovationen. Trotzdem haben wir eine ganze Reihe wichtiger Marktteilnehmer, die uns in unseren Forschungen unterstützen. Wir sind heute in der Lage, eine Stahlbeton-Flachdecke bei gleicher Leistungsfähigkeit mit 50 Prozent weniger Gewicht herzustellen. Und das in der von mir eingeforderten Bauweise – nämlich vollkommen recycelbar.

„Es geht nicht um die Verteufelung einzelner Materialien, sondern um deren bewussten, sparsamen Einsatz und deren Wiederverwendung – Stichwort Recyclingbeton.“

Werner Sobek

Werner sobek

verwirklicht weltweit unterschiedlichste Bauprojekte und leitet das Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart.
Beim nachhaltigen Bauen ist er einer der Vordenker in Deutschland. Werner Sobek ist einer der Initiatoren der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen und war bereits mehrfach Jurymitglied der „Global LafargeHolcim Awards for Sustainable Construction“.

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Wann wird Gradientenbeton im Baualltag ankommen?

Werner Sobek: Wir werden im Herbst im ILEK eine Probedecke betonieren, mit der wir die Leistungsfähigkeit demonstrieren. 2019 werden wir dann an einem Bauwerk in der Praxis eine Decke aus Gradientenbeton 1 : 1 mit regulären Belastungen einsetzen. Wir haben viele Interessensbekundungen aus unterschiedlichen Bereichen, die diesen Gradientenbeton entweder einsetzen oder bautechnisch weiterentwickeln wollen. Die Nachfrage ist da. Würden wir eine wirksame CO2-Steuer einführen, um der globalen Erwärmung entgegenzuwirken, dann hätte der Gradientenbeton bereits in zwei Jahren einen signifikanten Marktanteil.

Im ThyssenKrupp Testturm in Rottweil steckt Zement von Holcim und dahinter der Entwurf von Werner Sobek und Helmut Jahn. 
Der Betonschaft ist mit einer Stoffhülle aus Glasfasergewebe verkleidet.
Filigran - Im ThyssenKrupp Testturm in Rottweil steckt Zement von Holcim und dahinter der Entwurf von Werner Sobek und Helmut Jahn. Der Betonschaft ist mit einer Stoffhülle aus Glasfasergewebe verkleidet.

Ihre elementare Forderung lautet, mit weniger Material mehr zu bauen.
Was steckt dahinter?

Werner Sobek: Man könnte auch sagen, weniger ist ein Muss. Das weltweite Bevölkerungs-
wachstum bewirkt ein signifikant steigendes Wachstum des Bauvolumens bei gleichzeitig auftretender Verknappung von Rohstoffen. Nehmen wir Afrika: Die Bevölkerung wächst jährlich um rund 40 Millionen Menschen – das ist die halbe Bundesrepublik. In Afrika wird in den nächsten zehn Jahren mehr Material verbaut werden als in ganz Europa in den vergangenen 100 Jahren. Das ist ein immenses Problem, das nach wie vor massiv unterschätzt wird. Es macht die verstärkte Nutzung von Leichtbautech- nologien und erhöhte Recyclingquoten im Bauwesen unabdingbar.

Gradientenbetone

Das Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) forscht seit 2006 an Gradientenbetonen. Die Forscher haben die Eigenschaften des Betons durch eine Gradierung der Porosität (siehe Foto oben) im Inneren tragender Bauteile verändert. Dadurch wird eine präzisere Anpassung der Material­eigenschaft an die tatsächliche Beanspruchung erreicht. Zudem wird auf überflüssiges Material verzichtet. Bisher sind Gradientenbetone noch ein Thema der Forschung. In Zukunft kann diese Bauweise aber eine Reduktion von Gewicht, Ressourcenverbrauch, Müllaufkommen, Emis­sionen und Energieverbrauch bei der Herstellung von Bauteilen aus Beton ermöglichen.
Foto oben: Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK), Universität Stuttgart

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Die Einheit Urban Mining & Recycling (UMAR) in Dübendorf (Schweiz), entworfen von Werner Sobek mit Dirk E. Hebel und Felix Heisel, besteht aus wiederverwertbaren Materialien.
Komplett recycelbar - Die Einheit Urban Mining & Recycling (UMAR) in Dübendorf (Schweiz), entworfen von Werner Sobek mit Dirk E. Hebel und Felix Heisel, besteht aus wiederverwertbaren Materialien.

Was sind die Vorteile von Gradientenbeton gegenüber anderen Materialien?

Werner Sobek: Es geht nicht um die Verteufelung einzelner Materialien, sondern um deren bewussten, sparsamen Einsatz und deren Wiederverwendung – Stichwort Recyclingbeton. Und da ist Gradientenbeton eine wunderbare Lösung. Insgesamt sehe ich drei Ansatzpunkte bei der Weiterentwicklung des Bauens mit Beton: Schalung, Bewehrung und die Optimierung des Innenraums. Dazu kommen neue Druck- und Spritztechniken.

Wie lässt sich denn der Einsatz von Recyclingbeton verstärken?

Werner Sobek: Ich sehe hier den Gesetzgeber in der Pflicht festzulegen, dass bei jedem neuen Bauwerk ein bestimmter Anteil Recyclingbeton einzusetzen ist. So wird es beispielsweise in Zürich gehandhabt. Verstöße müssen dann konsequent geahndet werden – durch Geldstrafen oder nicht erteilte Baugenehmigungen.

Das klingt sehr drastisch – wieso gleich per Gesetz?

Werner Sobek: Selbst wenn Probleme bekannt sind, fällt es oft schwer, persönliche Verhaltensweisen zu ändern. Sei es die Erderwärmung oder das Wachstum der Weltbevölkerung – die Leute wissen um all das, ändern aber ihr Verhalten nicht. Wenn Selbstregulierung nicht funktioniert, sollte der Gesetzgeber einfach nachvollziehbare Vorschriften erlassen. Dazu zählt für mich auch das Bestehen auf die Verwendung von Recyclingbeton dort, wo es sinnvoll und möglich ist.

Stiftungsräte der LafargeHolcim Foundation zu Gast bei Werner Sobek.
Netzwerken - Stiftungsräte der LafargeHolcim Foundation zu Gast bei Werner Sobek.

Mit dem ILEK steht Ihr Name vor allem für die Leichtbauweise.
Wie schwer ist es, Leichtbau zu vermitteln?

Werner Sobek: Neben technischen und technologischen Hindernissen muss die Einführung von materialsparenden Bauweisen auch eine tief verankerte psychologische Hürde überwinden: Dem „leicht Bauen“ haftet der Charakter des Temporären, des Preiswerten, ja des Billigen an. Gewichtsintensive Bauweise wird dagegen als massiv, robust, beständig und insgesamt als höherwertig angesehen. Da eine bauliche Investition typischerweise zu den größten Investitionen gehört, die ein Mensch im Laufe seines Lebens tätigt, ist der Wunsch nach maximaler Wertigkeit und Beständigkeit verständlich. Daher müssen wir aufzeigen, dass materialsparendes Bauen eine Wertigkeit wie ein Massivbau haben kann, darüber hinaus aber auch noch andere Qualitäten im übergeordneten Sinn und Maßstab besitzt. Anders ausgedrückt: Wir brauchen wieder eine Begeisterung für das Bauen.

Was meinen Sie damit?

Werner Sobek: (macht eine Pause und denkt nach) Wo sind denn die positiven Meldungen aus dem Bauwesen? Es ist von der Bauindustrie vollkommen verschlafen worden, ein positives Image zu transportieren. Wir reden vom Berliner Flughafen, vom eingestürzten Kölner Stadtarchiv oder zusammengebrochenen Autobahnbrücken. Aber was das Bauwesen tatsächlich an Positivem bewirkt, wird nicht kommuniziert. Das wird bestenfalls den Stararchitekten überlassen. Die Bauindustrie muss endlich mit positiven Nachrichten punkten. Nachhaltigkeit ist so ein Thema.

Einsatz für mehr Nachhaltigkeit im Bauen

Die LafargeHolcim Foundation setzt sich seit 2003 für mehr Nachhaltigkeit im Bauen ein und möchte das Bewusstsein der Branche und der Bevölkerung für die Bedeutung des nachhaltigen Bauens schärfen. Sie setzt sich daher weltweit für die Vernetzung von Wissen ein. Damit fördert sie Denkweisen, die Nachhaltigkeit nicht nur als enorme technische Herausforderung sehen, sondern auch als einen Aspekt herausragender Architektur betrachten, der zu mehr Lebensqualität beiträgt.

Mehr Infos

Auf der Website der LafargeHolcim Foundation finden Sie dazu viele interessante Themen, Diskussionen und Projekte – auch von und mit Werner Sobek.

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