Wie passen eine nachhaltige Bauweise und Beton bei der Planung eines Wohn- und Atelierhauses zusammen? Die Designerin Heike Deus-Böhm und der Architekt Prof. Paul Böhm setzen bei ihrem Projekt auf R-Beton. Im Interview spricht Heike Deus-Böhm über den Nutzen einer Wertschöpfungskette, eine notwendige Kreislaufwirtschaft und unnötige Hürden.
Interview
Was ist das Besondere an dem Projekt: Wohn- und Atelierhaus?
Heike Deus-Böhm:
Im Grunde ist es gar kein so besonderes Projekt, denn es handelt sich um ein Haus aus Beton. Besonders ist eventuell, dass wir die Zuschlagstoffe im Beton aus ökologischen Gründen geändert haben wollten. Die Inspiration dafür haben wir uns bei vergleichbaren Projekten in ganz Europa geholt und gesehen, dass es möglich ist, aus recyceltem Beton etwas Neues entstehen zu lassen.
Warum wollten sie recycelten Beton verwenden?
Heike Deus-Böhm:
Alle Welt spricht vom ökologischen Bauen. Holz als nachwachsende Ressource ist voll im Trend. Wir meinen aber, dass wir andere Materialien brauchen, wenn wir nicht irgendwann ohne Wälder da stehen wollen. Wir denken dass mittel- und langfristig kein Weg an dem Baustoff Beton vorbei geht. Das bedeutet, dass unsere Anstrengungen in der Forschung stärker in die Richtung gehen müssen. Unser Projekt ist in gewisser Weise ein Beitrag hierzu. Dazu gibt so viele Bauwerke, die zum Abriss freigegeben sind und auch abgerissen werden. Die dadurch entstehende Menge an Baustoffen sollte genutzt und nicht auf Deponien der Wertschöpfungskette entzogen werden. Problematisch ist dabei, dass es nach dem Schreddern zu einer sortenreinen Sortierung kommen muss und da herrscht noch viel Nachholbedarf. Wir haben in Stuttgart bei der Firma Feeß zum Glück eine Lösung gefunden.
Sie setzen auf eine nachhaltige Bauweise. Wie kam es dazu?
Heike Deus-Böhm:
Für uns war von Beginn an klar, dass wir eine nachhaltige Bauweise mit Beton wollen. Dazu wollten wir den Beton nicht nur als Trägermaterial, sondern auch als Sichtbeton. Wir haben dann viel Feedback aus dem Umfeld bekommen und es hieß, dass es keine ökologische Lösung und nicht zeitgemäß sei. Allerdings wussten wir um die Möglichkeit der Nutzung von R-Beton und die Verwendung von Hochofenzement als Abfallprodukt in der Stahlindustrie – der muss nicht einmal extra produziert werden.
Warum sind nachhaltige Bauweisen in der heutigen Zeit so wichtig?
Heike Deus-Böhm:
Nachhaltiges Bauen muss gelebt werden. Es wird immer mehr gebaut und die verwendeten Materialien müssen recycelbar sein. Ein Beispiel: Es wird sehr viel energetisch saniert, aber mit Styropor, was nicht rückbaubar ist. Man muss sich Gedanken darüber machen, wie Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden. Kreislaufwirtschaft und Recycling sind da in meinen Augen die Zukunft des Bauens.
„Nachhaltiges Bauen muss gelebt werden. Es wird immer mehr gebaut und die verwendeten Materialien müssen recycelbar sein.“
Wie kam der Kontakt zu Holcim zustande?
Heike Deus-Böhm: Wir haben uns auf die Suche begeben und hatten Kontakt zur TH-Münster – dort wird sich mit diesem Thema beschäftigt. Über diese Recherche sind wir dann mit Holcim in Kontakt gekommen. Das hat sehr gut gepasst, denn wir wollten die Zuschläge mitbestimmen und viel Ziegelsplitt verwenden, um eine Rotkörnung zu erreichen. Das ist eigentlich nicht möglich, aber mit Holcim haben wir das zusammen erarbeitet.
Wie kamen sie auf die Holcim-Produkte ECOPact und ECOPact-R?
Heike Deus-Böhm: Letztlich durch unsere Recherche und die guten Gespräche mit den MitarbeiterInnen von Holcim. Wir haben zusammen geschaut, was möglich ist und wie das zu unseren Vorstellungen passt. Am Ende hätten wir gerne einen größeren Anteil an Recyclingbeton gehabt, aber das ist zum heutigen Zeitpunkt aufgrund der geltenden Normen nicht möglich.
Was sind die Vorteile dieser Produkte?
Heike Deus-Böhm: Für uns ging es darum, nachhaltig zu bauen und das Thema Kreislaufwirtschaft zu integrieren. Denn man kann nicht immer nur neue Produkte verwenden und die alten auf den Müll werfen. Aus diesem Grund haben wir uns für die Produkte entschieden.
Mehr Infos
Die zulässige Zugabemenge rezyklierter Gesteinskörnung liegt gemäß der DAfStb-Richtlinie „Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung“ abhängig von der Expositionsklasse und der Kategorie zwischen 25 und 45 Vol.-% der Gesteinskörnung > 2 mm.
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit?
Heike Deus-Böhm: Die Zusammenarbeit war großartig und ich fand es bemerkenswert, dass auch Leute von Holcim vorbeigekommen sind, um sich unser Projekt anzuschauen. Da hat man das Interesse richtig gemerkt. Dazu liefen die Absprachen sehr gut und die Diskussionen um die verschiedenen Möglichkeiten fanden immer auf Augenhöhe statt.
Was wünschen sie sich von der Branche?
Heike Deus-Böhm: Ich würde mir einen gesteigerten Informationsaustausch beim Thema R-Beton wünschen. Andere Länder wie Holland, Frankreich oder der Schweiz sind da wesentlich weiter. Sicher muss da auch die Politik mitspielen und DIN-Normen erarbeiten. Insgesamt muss der Weg erleichtert werden, um mehr R-Beton verwenden zu können und dadurch Ressourcen zu schonen und die Kreislaufwirtschaft weiter nach vorne zu bringen.
Heike Deus-Böhm
Die Designerin Heike Deus-Böhm ist in den verschiedensten gestalterischen Fachrichtungen zuhause. Neben Arbeiten in den Bereichen Inneneinrichtung, Stoffdesign, Mode und Objektgestaltung ist sie seit mehreren Jahren in Zusammenarbeit mit ihrem Mann Professor Paul Böhm bei Umbauten und Renovierungen von Häusern aktiv.
Professor Paul Böhm
Nach seinem Studium an den Technischen Hochschulen in Berlin und Wien arbeitete der Architekt Paul Böhm als Mitarbeiter von Bernhard Strecker und Jürgen Eckhardt, bevor er 1991 bei Richard Meier in New York weitere Erfahrungen sammelte. Im Anschluss zog es ihn zurück in die Heimat, wo er im Büro Böhm tätig war und 1997 Partner wurde. Seit 2001 arbeitet er als selbstständiger Architekt und gewann 2015 den Wettbewerb für den Bau der Zentralmoschee Köln.