Henrik Thomsen, Chief Development Officer der Deutsche Wohnen SE, spricht im Interview über das nachhaltige Bauen aus Sicht eines der größten Immobilienunternehmen Europas, den Beitritt zur DGNB und die Bedeutung der Baustoffwahl.
Interview
Der Klimawandel ist die große gesellschaftliche Herausforderung für die kommenden Jahrzehnte. Wie sieht Ihre Strategie beim Thema Klimaschutz aus?
Henrik Thomsen: Wir wollen Vorbild sein, das Tempo beim Klimaschutz beschleunigen und bereits 2040 klimaneutral sein – also zehn Jahre, bevor es die deutsche Bundesregierung und die EU anpeilen. Um das zu erreichen, nutzen wir im Wesentlichen zwei Hebel: Einerseits werden wir den Energiebedarf im Gebäudebestand minimieren – vor allem durch energetische Sanierung. Und andererseits werden wir möglichst wenig CO2-intensive Energieträger nutzen, vor allem durch den Ausbau erneuerbarer Energien und Stromerzeugung vor Ort.
Weshalb ist die Deutsche Wohnen Mitglied der DGNB geworden?
Henrik Thomsen: Im Einklang mit unserer Klimastrategie ist unser Anspruch, ganzheitlich und nachhaltig zu planen, zu bauen und zu bewirtschaften – ganz im Sinne der Ziele der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Alle Neubauten sollen künftig durch die DGNB mindestens mit dem Goldstandard zertifiziert werden und damit unsere hohen Nachhaltigkeitsstandards verbindlich machen. Auch bei der Sanierung des vorhandenen Bestands wollen wir vorangehen und planen eine Zertifizierung für unsere großen Quartiere.
„Unser Anspruch ist, ganzheitlich und nachhaltig zu planen, zu bauen und zu bewirtschaften.“
Wie sehen Sie das „Bauen der Zukunft“?
Henrik Thomsen: Nachhaltig und energieeffizient. Wenn wir weiter so bauen, wie es heute oft noch getan wird, steuern wir auf eine Sackgasse zu. Beim Bauen nutzen wir immer knapper werdende Ressourcen. Diese verarbeiten wir mit hohem Energieverbrauch und vielen Emissionen zu Häusern. Deswegen müssen wir beim Neubau von Anfang an den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes im Blick behalten – von der Planung und dem Bau über die Nutzung bis zum späteren Rückbau. Neben der Frage, wie wir bauen, geht es aber auch um das Wo. Gerade in den Städten müssen wir den vorhandenen Platz besser ausnutzen. Ökologische Nachverdichtung und Konversion, also die Umnutzung von brachliegenden städtischen Flächen, sind dabei zwei wichtige Stichworte.
Mehr Infos:
Die börsennotierte Deutsche Wohnen ist eines der führenden europäischen Immobilienunternehmen. Sie hält rund 158.000 Einheiten, mehrheitlich Wohnungen:
Welche Rolle spielt bei Ihren Planungen die Wahl der Baustoffe?
Henrik Thomsen: Die Auswahl der Baustoffe spielt eine entscheidende Rolle. Der CO2-Ausstoß eines Gebäudes beträgt allein in der Herstellungsphase schon rund 50 Prozent der im gesamten Lebenszyklus emittierten Menge. Der Einsatz nachhaltiger und bestenfalls nachwachsender Materialien ist die logische Konsequenz. Zur Nachhaltigkeit gehören aber auch kurze Transportwege – sowohl für die Produktion des verwendeten Materials als auch der Gebäude selbst. Aktuell planen wir z. B. mehrere Quartiersentwicklungsprojekte in Holz-Hybrid-Bauweise.
Welche Produkte spielen dabei eine Rolle?
Henrik Thomsen: Wir müssen natürlich auch beim Neubau die Balance zwischen Klimaschutzanforderungen und Wirtschaftlichkeit finden. Nach wie vor nutzen wir Beton bzw. Betonmodule und Ziegelsteine für unsere Bauprojekte, z. B. für Tiefgaragen, Fundamente, Treppenhäuser, Aufzugskerne oder Decken. Idealerweise stammen diese dann aus sogenannter grüner Produktion. Wenn möglich, nutzen wir zudem recycelte Materialien. In unserem Bauprojekt Dresden-Schützengarten verwenden wir beispielsweise abgebrochenen und anschließend direkt vor Ort geschredderten Beton für die Baugruben und den Straßenbau vor Ort. Für Wände und Verkleidungen setzen wir zunehmend auf Holzprodukte.
Zur Person
Henrik Thomsen verantwortet seit Oktober 2019 bei der Deutschen Wohnen SE als Chief Development Officer die Bereiche Neubau- und Bestandsinvestitionen, Technische Infrastruktur und Digitalisierung.